Mobbing und Gewalt
Mobbing ist leider auch und gerade in der Sozialen Arbeit Thema. Eine repräsentative Umfrage für die Bundesrepublik Deutschland brachte das Ergebnis, dass derzeit in Deutschland aktuell 2,7 %, d. h. über 800.000 Arbeitnehmer/innen von Mobbing betroffen sind. Zu dieser Gruppe zählen überdurchschnittlich viele MitarbeiterInnen in Sozial- , Erziehungs- und Pflegeberufen, sie tragen im Vergleich zum Durchschnitt aller ArbeitnehmerInnen ein 2,8-faches Mobbing-Risiko. Diese Erkenntnis geht aus der ersten, von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie "Der Mobbing-Report - Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland" hervor (Seite 30 und 33) .
Mobbing wird als ein Prozess der konfliktbelasteten Kommunikation am Arbeitsplatz, der sowohl zwischen KollegInnen, wie auch zwischen Vorgesetzten und den Untergebenen stattfinden kann. Unerwünschte Kritik, Konkurrenz, Neid und Spannungen mit den Vorgesetzten stehen in den Augen der Betroffenen als Ursache im Vordergrund.
Mobbing-Handlungen konzentrieren sich auf Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen, auf soziale Beziehungen, auf soziales Ansehen, auf die Qualität der Arbeit und die Gesundheit (Leymann). Damit stehen soziale Beziehungen und Kommunikation, eigentlich Schlüsselkompetenzen der Sozialen Arbeit, im Mittelpunkt von Mobbing-Handlungen. Damit drängt sich die Frage auf, welche Ursachen dafür verantwortlich sind, dass gerade den Sozialberufen Mobbing besonders häufig anzutreffen ist. Empirische Studien hierüber liegen leider nicht vor, so dass an dieser Stelle nur auf mögliche Ursachen eingegangen werden kann.
Betrachtet man die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen so ist festzustellen, dass in Folge eines immer mehr auf Wettbewerb und Konkurrenz orientierten Wirtschafts- und Wertesystem in unserer Gesellschaft der Druck auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarkt immer mehr zunimmt.
Die in der Sozialen Arbeit beschäftigten sind von dieser Entwicklung in mehrfacher Weise betroffen.
- In ihrer beruflichen Praxis müssen sie sich mit den Folgen von Erwerbslosigkeit, wachsender Konkurrenz und Ausgrenzung der Klientel auseinander setzen. In dieser Situation wird die Kommunikation zunehmend belastender: Unzufriedenheit der Klienten, psychischer Druck und die Auseinandersetzung mit der eigenen Ohnmacht wachsen, nicht wirklich unterstützen zu können.
- Als Beschäftigte wiederum sind sie den gleichen Mechanismen ausgesetzt. Die „Ökonomisierung“ und „Globalisierung“ trifft den Sozialen Bereich mit besonderer Härte. Wie in der Wirtschaft auch, muss sich die Soziale Arbeit einem zunehmenden Wettbewerbsdruck stellen. Zudem aber wird die „Nachfrage“ nach Sozialen Leistungen, die ja im Wesentlichen über öffentliche Kassen finanziert werden, zunehmend abgebaut: Einrichtungen werden geschlossen, Fallzahlen erhöht, Betreuungsschlüssel ausgedünnt, usw.. Anders als in der Wirtschaft werden in den meisten Bereichen die Kosten für soziale Dienstleistungen hauptsächlich durch Personalausgaben bestimmt. Entsprechend wird versucht über Leistungsverdichtung, Stellenabbau, Absenken von Gehältern und „Entprofessionalisierung“ Kosten zu sparen. Bei den Beschäftigten entsteht Druck, aus dem vielfach auch Konkurrenz wächst, zumal die laufenden politischen Diskussionen um weiteren Leistungsabbau keine Perspektiven eröffnen.
- Konnte in der Vergangenheit das „Soziale“ noch auf ein hohes Ansehen in der Bevölkerung bauen, dem vielfach auch die politischen Entscheidungsträger gefolgt sind, scheint sich diese Entwicklung gegenwärtig ins Negative zu wenden. Hatten wir noch bis vor Kurzem eine Gesellschaft in welcher der "Soziale Bereich" als notwendig und wichtig angesehen wurde, so hat sich die Werteskala in unserer Gesellschaft verändert. Oftmals wird heute der Einzelne, das Individuum, die Privatperson für seine Notlage, ob beruflich oder in anderen sozialen Kontexten, alleine in die Verantwortung genommen. Die strukturellen Probleme der Arbeitslosigkeit und die sich daraus ergebenden neuen Problemsituationen in Wirtschaft und Gesellschaft werden in den Beurteilungen außen vor gelassen. Als Nebenprodukt dieser Entwicklung gerät die gesellschaftliche Aufgabe, den Einzelnen zu unterstützen, durch die Umdeutung der gesellschaftlichen Wirklichkeit immer mehr in Vergessenheit. KollegInnen berichten immer wieder davon, dass es an Anerkennung ihrer Tätigkeit fehlt.
Mobbing entsteht in den meisten Fällen nicht als bewusster Akt und mit der Absicht jemanden zu schädigen. Mobbing ist vielfach Ausdruck erfahrener Konkurrenz, Unsicherheit, Ohnmacht, Perspektivlosigkeit und fehlender „Außenorientierung“ und Anerkennung.
Veröffentlicht:
Forum Sozial 2004 / Nummer 3 / Seite 35