Arbeit im Wandel
Was passiert mit dem Faktor „Arbeit“?
Chance für oder der Ausverkauf der „Sozialen Arbeit“? Der Versuch einer Standortbestimmung.... Michael Leinenbach
Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Zeit der Umbrüche. Umbrüche in der Wirtschaft, Umbrüche im Sozialen System, aber auch Umbrüche im Tarifwesen überrollen uns. Welchen Stellenwert kann in dieser „ Neuen Welt“ die „Soziale Arbeit“ noch einnehmen? Findet ein gesellschaftlicher Wertewandel statt? Wohin entwickelt sich die „Soziale Marktwirtschaft? Welchen Stellenwert wird der Faktor „Arbeit“ zukünftig haben? Verschwindet das, was wir traditionell als „Arbeit“ kannten nun in Gänze und was entwickelt sich daraus? Und was bedeutet diese Entwicklung für die „Soziale Arbeit“? Chance oder den Ausverkauf?
Versucht man sich an die Begrifflichkeit der „Arbeit“ heranzutasten, so begegnet man den unterschiedlichsten Definitionsversuchen und Erläuterungen aus unterschiedlichen theoretischen Fachrichtungen. Gerne verwendet wird als Definition des Begriffs „Arbeit“ ein Zitat von Willy Brandt aus dem Jahre 1983:
„Menschliche Arbeit hat nicht nur einen Ertrag, sie hat einen Sinn. Für die Mehrzahl der Bürger ist sie die Gewähr eines gelingenden Lebensprozesses: Sie ermöglicht soziale Identität, Kontakte zu anderen Menschen über den Kreis der Familie hinaus und zwingt zu einem strukturierten Tagesablauf.“
Der Facettenreichtum der Definitionen von Arbeit spiegelt sich in der Formulierung von Maria Jahoda (1983) wider, wenn sie vom „innersten Wesen des Lebendigseins“ spricht.
Die Fernuniversität Hagen wiederum definiert „Arbeit“ für den / die Einzelne/n inhaltlich über die Bereiche „Last und Pflicht“, „soziale Strukturierung“, „Vermittlung und Veränderung“ sowie „Persönlichkeitsentfaltung“.
Als eine allgemeingültige Definition kann die Definition der Begrifflichkeit „Arbeit“ der Bundeszentrale für politische Bildung herangezogen werden. In ihrem Wörterbuch definiert sie „Arbeit“ als „eine spezifisch menschliche, sowohl körperliche als auch geistige Tätigkeit, die vor allem dazu dient, die zur Existenzsicherung notwendigen Mittel zu beschaffen. Sie stellt aber auch immer eine technisch-kulturell geprägte Form der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Umwelt dar. Arbeit ist insofern ein gestaltender, schöpferisch-produzierender und sozialer, zwischen Individuen vermittelnder, Akt.“ Weiter definiert die Bundeszentrale für politische Bildung, dass „Arbeit im politisch-ökonomischen Sinne der wichtigste Produktionsfaktor ist, der als Grundlage zur Entwicklung der Faktoren Boden, Kapital und technischer Fortschritt dient.“
Arbeit – Soziale Arbeit
Für die „Soziale Arbeit“ besonders interessant ist die Aufteilung der Arbeit in Produktions- (Erwerbs-) und Reproduktions-Arbeit. Die Reproduktions-Arbeit bezieht sich ausschließlich oder parallel zur Erwerbs-Arbeit als „Haus-, Familien-, Erziehungs- und Pflege-Arbeit“, die unentgeltlich ausgeübt und traditionell insbesondere Frauen zugewiesen wird.
Das Gros der Beschäftigungsfelder der „sozialen Arbeit“ verortet sich im Bereich der Reproduktions-Arbeit. Die dort erzielten Leistungen sind aus einer ökonomistischen Sicht nicht unmittelbar produktiv und könnten daher dem eher „unentgeltlich zugeordneten Frauenbereich“ zugeordnet werden.
Was aber, wenn durch Technisierung und industrielle Weiterentwicklung immer weniger Arbeit im bisher definierten „ produktiven Bereich“ vorhanden ist? Was, wenn die Maschine den Platz des Menschen in unserer Gesellschaft immer mehr einnimmt? Was, wenn durch die Globalisierung der eher „produktive Bereich “ aus Kostengründen immer mehr in „Billiglohnländer“ vergeben wird? Welche Perspektiven bieten sich in diesen Zeiten den vielen Arbeitslosen in unserer Gesellschaft?
Ernst Kistler und Markus Hilpert formulieren in ihrem Artikel „Auswirkungen des demographischen Wandels auf Arbeit und Arbeitslosigkeit“ die Problematik wie folgt: „Die zunehmende Technologisierung der Arbeitswelt wird die Exklusions- und Selektionsprozesse auf dem Arbeitsmarkt beschleunigen. Vereinfacht formuliert werden zum einen in der Summe technologiebedingte Entlassungen zu Lasten Geringqualifizierter erfolgen, technologiebedingte Einstellungen zu Gunsten Höherqualifizierter.“
Perspektiven „neuer“ Sozialer Marktwirtschaft?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit definiert „Soziale Marktwirtschaft“ die Ökonomie in den Vordergrund stellend wie folgt: „Die zentrale Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist es, das Funktionieren des Marktmechanismus mit einem sozialen Ausgleich zu verbinden. Denn der Marktmechanismus erhöht Konsummöglichkeiten, motiviert die Anbieter zu Innovationen und technischem Fortschritt und verteilt Einkommen und Gewinn nach individueller Leistung. Vor allem aber verhindert sie eine übermäßige Ansammlung von Marktmacht. Es ist daher Aufgabe des Staates, den Rahmen für einen funktionierenden Wettbewerb zu schaffen. Gleichzeitig muss er die Bereitschaft und die Fähigkeit der Menschen zu eigenverantwortlichem Handeln und mehr Selbstständigkeit fördern. Er darf beides nicht lähmen, indem er in zu großem Maße Verantwortung übernimmt. Denn staatliches Handeln belastet Wirtschaft und Gesellschaft mit Steuern und Abgaben. Dies geht zu Lasten des Faktors Arbeit und schränkt die Verfügungsfreiheit über verdientes Einkommen ein. Aber bereits Ludwig Erhard war sich darüber im Klaren, dass umso weniger sozialpolitische Hilfen notwendig sind, je erfolgreicher die Wirtschaftspolitik ist. Unsere Gesellschaft muss soziale Verantwortung übernehmen für jene, die aus eigener Kraft nicht ausreichend am Wohlstand partizipieren können. Um so eher entsteht eine breite Akzeptanz des Strukturwandels.“
Michael H. Stierle meint sogar, dass die Soziale Marktwirtschaft den bevorstehenden Wandel gestärkt überleben kann, wenn Wandel ein dynamisches Wachstum verspricht. Als Voraussetzung wird für das Wachstum die Grundhaltung gesehen, dass es mehr persönliche Verantwortung des Einzelnen und weniger kollektive Regeln gibt. Selbst die Deutschen Bischöfe formulieren in ihrem Impulstext „Das Soziale neu entdecken“: „Sozialpolitik muss dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Kräften mehr Raum geben. Dazu wird die Grenze zwischen einem solidarisch abgesicherten klaren Gewährleistungsrahmen für alle und dem Bereich der Eigenverantwortung neu zu ziehen sein“. Weiter meinen die Bischöfe, dass eine Gesellschaft nur dann solidarisch sein kann, wenn sie dem Einzelnen und den kleinen Einheiten einen möglichst weitreichenden eigenverantwortlichen Spielraum gebe.
So scheint es fast Konsens der „neuen“ Sozialen Marktwirtschaft zu sein, dass der Einzelne das Gemeinwesen möglichst wenig belasten solle, damit sich Wirtschaft entfalten könne. Wachstum sei Grundlage für das Soziale und nur dann möglich, wenn es möglichst wenig Belastung für den Faktor Arbeit und die Wirtschaft gebe. Unterstützen müsse man nur diejenigen, wo es keine Alternative der Aktivierung gibt, aber das auch nur, um Akzeptanz in der Mehrheitsgesellschaft für den Wandel zu befördern.
Zukunft der Arbeit
Ein so beschriebener Wandel wird nicht ohne Einfluss auf den beruflichen Alltag des Einzelnen bleiben, ein Beispiel hierfür ist die Zunahme atypischer Beschäftigung, wie z.B. die für Unternehmen günstigen „geringfügigen Beschäftigungen“, die bezogen auf Arbeitszeit und -Entgelt unterhalb der im Sozialgesetzbuch festgelegten Versicherungsgrenzen bleiben. Atypische Beschäftigungen sind nicht nur Ausdruck von Arbeitszeitflexibilisierung. Sie sind, so die Bundeszentrale für politische Bildung, insofern problematisch, „als sich das gesamte System der sozialen Sicherung in Deutschland weitgehend aus den Beitragsleistungen bezahlter Erwerbs-Arbeit finanziert und das Normalarbeitsverhältnis hierfür die Grundlage bildet.“
In diesem System von Erwerbslosigkeit, atypischer Arbeitsverhältnisse und weniger werdenden regulären Beschäftigungen behält der Faktor „Arbeit“ seine wichtige Schlüsselfunktion für den Einzelnen in Bezug auf die persönliche Identifikation, Statusgewinn bzw. Statusdefinition und Existenzsicherung. Es mag paradox klingen: Umso weniger der Faktor „Arbeit“ für die Produktion von Bedeutung ist, umso mehr gewinnt „Arbeit“ an Bedeutung für den Einzelnen, der in „Eigenverantwortung“ darauf zu achten hat, nicht den Sozialstaat zu fordern.
Und ein weiteres Phänomen, der „demographische Faktor“, wird uns im so genannten Arbeitsmarkt begleiten. Das statistische Bundesamt weist in seiner Pressemitteilung vom 06. Juni 2003 darauf hin, dass im Jahr 2050 bereits jeder Dritte in Deutschland 60 Jahre oder älter sein wird. Aber nicht nur das wird den Arbeitsmarkt beeinflussen. Das Statistische Bundesamt weist weiter darauf hin, dass die Bevölkerungszahl sich bei einer mittleren Berechnungsvariante von derzeit 82,5 Millionen Einwohner auf 75 Millionen Einwohner im Jahr 2050 zurückentwickeln wird.
Ob im Rahmen dieser Entwicklungen Arbeitslosigkeit schwindet und sogar die Älteren länger im Berufsleben verbleiben müssen, hängt letztendlich von der Summe der technologiebedingten Entlassungen ab.
Die Deutschen Bischöfe weisen darauf hin, dass sich durch Geburtenrückgang und höherer Lebenserwartung die Bevölkerungspyramide umdreht und stellen fest: „Der demographische Wandel führt neben einem Rückgang der Gesamtnachfrage zu einem nicht nur volkswirtschaftlich problematischen Fehlen von jungen Menschen, und damit auch von Innovationskraft. Neben der Alterssicherung die Nachwuchsförderung zu betonen, ist daher geboten“.
Gerhard Neagele fordert bis 2015 eine politische Doppelstrategie. Zum einen sollen den Beschäftigten Frühverrentungen unter finanziell und sozial akzeptierbaren Rahmenbedingungen ermöglicht werden, und zum anderen sollen die Grundvoraussetzungen für eine Weiterarbeit der älteren Beschäftigten in der Zukunft geschafft werden.
Wie reagiert nun die Wirtschaft in der derzeitigen Situation? Das statistische Bundesamt weist diesbezüglich darauf hin, dass das verarbeitende Gewerbe im November 2004 1,4 % der Beschäftigten verliert, jedoch der Umsatz um 7,6 gestiegen ist. Wesentlich muss hierbei berücksichtigt werden, dass der Auslandsumsatz im Jahr 2004 mit 9,2 % zu Buche schlägt.
Spiegel-online berichtet vom Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei rund 8000 Firmen. Der Umfrage zufolge werden bis 2007 weitere 150.000 Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Andererseits reagiert die Wirtschaft bereits in den Bereichen, in denen ein „Fachkräftemangel“ herrscht. Hier spielt die neue Situation der Familien eine immer größer werdende Rolle und gestaltet maßgeblich den Arbeitsmarkt mit. Dort, wo familiäre Netzwerke zusammenbrechen oder in Gänze wegfallen, wird die Kinderbetreuung und Kindererziehung zum Problem, und Lösungsmöglichkeiten werden sowohl im professionellen als auch im semiprofessionellen Bereich gesucht. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend spricht in diesem Zusammenhang in seinem „Handbuch der örtlichen und regionalen Familienpolitik“ vom Faktor des „Humanvermögens“. Das Ministerium versteht unter Humanvermögen u. a. die bewusste Entscheidung der Eltern für Kinder, die Bereitschaft zu schulischer und beruflicher Aus- und lebenslanger Weiterbildung sowie die Beteiligung an gesellschaftlichen Aufgaben. Dieses Humanvermögen, so das Ministerium, zahlt sich gerade für Firmen und Betriebe aus. Qualifizierte Mitarbeiter/innen gingen so nicht durch Fortzug den Betrieben verloren.
Zukunft der Sozialen Arbeit
Auch wird im Wandel der Sozialen Marktwirtschaft das Bürgerengagement verstärkt als persönliche Verantwortung des Einzelnen eingefordert. Karl-Heinz Paqué schreibt zum Thema Bürgerengagement: „Eine Soziale Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn es neben dem anonymen sozialen Netz den ehrenamtlichen Einsatz der Menschen und die Bereitschaft zum Spenden gibt: für gemeinnützige Initiativen, Vereine und Stiftungen. Dies indirekt zu unterstützen ist der Staat gefordert: durch eine großzügige steuerliche Behandlung all jener Organisationen, die mit privatem Vermögen und Zuwendungen Gemeinnütziges leisten und den Staat entlasten.“
Der politische Ruf könnte bald aber auch lauten, aus Kostengründen mehr „Bürgerengagement“ für eine Betätigung im professionellen Feld der Sozialen Arbeit zu gewinnen oder „Zusatzjobs“ nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gemeinnützigen Einrichtungen (Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung) nicht nur als Hilfskräfte, sondern auch als Fachkräfte einzusetzen. Und hier schließt sich wieder der Kreis zur Definition der Arbeit. Die Dienstleistungen der „Sozialen Arbeit“ fallen in ihrer Gänze unter die Definition der Reproduktions-Arbeit. Die Leistungen der Reproduktions-Arbeit werden nach wie vor parallel zur Erwerbs-Arbeit als „Haus-, Familien-, Erziehungs- und Pflege-Arbeit“ gesehen.
Es stellt sich aber auch die Frage, wie bei rückläufigen Zahlen von Beitragszahlern im sogenannten produktiven Bereich bedingt durch Technologie, Entlassungen die Sozialversicherungssysteme noch aufrecht erhalten bleiben. Welche Leistungen können dann langfristig gezahlt bzw. von wem angeboten werden? Die Erwartung der Ökonomie an die Übernahme der Verantwortung des Einzelnen wird auch hier seine Spuren hinterlassen. Unsere Gesellschaft wird vor diesem Hintergrund ihre Definition von Arbeit ebenso neu überdenken müssen wie die Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Vermögens. Soziale Gerechtigkeit muss wieder mehr in den Blickpunkt der Gesellschaft gerückt werden. Die Forderungen gleichwertige Lebensbedingungen in den Regionen zu schaffen, Mitbestimmung und Mitgestaltung auch in den Unternehmen stärker einzufordern, ein Umdenken im Rahmen des Steueraufkommens einzuleiten und die Unternehmen wieder mehr in die Verantwortung zu nehmen erscheint dringend geboten. Nicht nur der Einzelne sondern auch die Unternehmen müssen ihre jeweilige Verantwortung übernehmen.
Ein neue Steuergesetzgebung, die u. a. auch die Unternehmensgewinne entsprechend berücksichtigen würde, könnte einen wichtigen Schritt hin zu einem neuen „Sozialen Frieden“ darstellen.
Anstatt Arbeitsplätze abzubauen und somit den Kollaps in den Sozialversicherungssystemen zu forcieren, könnten bei einer Umverteilung des gesamtgesellschaftlichen Einkommens und des dadurch ermöglichten Erhalts sowie der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den eher reproduktiven Arbeitsbereichen die Errungenschaften der Sozialen Marktwirtschaft erhalten bleiben.
Die Diskussion über die von der Gesellschaft zu tragenden Lasten würde dann nicht mehr auf die Belastungen durch die „Sozialbereiche“ erfolgen sondern einer Neu- Umverteilungspolitik des gesamtgesellschaftlichen Einkommens weichen. In einer solchen Gesellschaft könnte auch das Soziale seinen würdigen Platz wieder einnehmen.
Die Verantwortung des Einzelnen in und für unsere Gesellschaft bleibt bestehen. Jedoch sollte unter dem Aspekt der „Sozialen Marktwirtschaft“ auch die Verantwortung des Staates für die Gesamtheit der Bürger stärker berücksichtigt werden als dies in den erkennbaren Konzepten einer „neoliberalen Politikausrichtung“ erfolgt. Staatliche Verantwortung kann und darf nicht nur für Unternehmen gelten sondern muss die Gesamtheit der Gesellschaft im Blick haben. Der einzelne Bürger muss sich in der „Sozialen Marktwirtschaft“ gleichberechtigt vertreten fühlen.
Gerade die Ergebnisse der letzen Wahlen zeigen, dass bei den Bürgern eine existentielle Zukunftsangst besteht, die sie dazu verleitet, in extremen Parteien die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu sehen oder mangels Alternativen gar nicht erst zur Wahl zu gehen. Die Angst u .a. vor einer verschwindend geringen Rente, die Angst vor dem Existenzminimum für die Familie, die drohende Verarmung und vieles mehr führen zu einer Spannung in unserer Gesellschaft.
Ob der „würdige“ Umgang u. a. mit den Menschen im hohen Alter in unserer Gesellschaft, die Aufrechterhaltung der grundsätzlichen medizinischen Versorgung der Bevölkerung, die Aufrechterhaltung der sozialen und erzieherischen Betreuung des Nachwuchses bzw. der Aufrechterhaltung eines Beratungsnetzes bis hin zur Armenfürsorge, der Staat sollte sich gerade in diesen Dingen wieder viel bewusster seiner Verantwortung stellen.
Unter diesen Gesichtspunkten müsste gerade das „Soziale“ in unserer Gesellschaft wieder die Würdigung erfahren, die dem „Sozialen“ zusteht.
Handeln
Die Zuordnung von Aufgaben in der Sozialen Arbeit in den Bereich der Reproduktions-Arbeit lässt derzeit einen Kollaps der „Sozialen Profession“ befürchten. In diesem Spannungsfeld bekommt der Anspruch einer eigenen Profession der „Sozialen Arbeit“ sowie deren Weiterentwicklung höchste Priorität. Als Berufsverband und Fachgewerkschaft werden wir uns dieser Herausforderung annehmen müssen und uns den neuen Aufgaben zu stellen haben, die uns erwarten.
Soziale Arbeit in seiner Gänze ist nur dann aufrecht zu halten, wenn es gelingt, die Profession „Soziale Arbeit“ vom Bürgerengagement „im Sozialen“ zu trennen und die Unterschiede aufzuzeigen. Die Profession der Sozialen Arbeit muss sich zurückbesinnen auf die wesentliche Kernaussage ihrer Dienstleistung, die „professionelle Arbeit am und für den Menschen“.
Die Dienstleistung „Soziale Arbeit“ muss zukünftig messbar sein, und wir werden den Weg nicht scheuen dürfen, eigene Qualitätsmerkmale gemeinsam mit der Lehre zu erarbeiten, die dabei auch die scharfe Trennlinie zwischen der Profession der Sozialen Arbeit und dem „Bürgerengagement“ aufzeigt.
Auch müssen alle, die in der Sozialen Arbeit in ihren verschiedensten Tätigkeitsfeldern arbeiten, die Verantwortung des Einzelnen, zukünftig am jeweiligen Handeln zu Grunde legen. Jede/r in der Sozialen Arbeit Beschäftigte muss zukünftig als Botschafter für die Profession agieren. Die Verantwortung des Einzelnen, wie sie Ludwig Erhard in seiner Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft erdacht hat, wird zukünftig auch die Entwicklung der Sozialen Arbeit stärker begleiten als bisher. In dieser Situation gilt es uns über eine Professionalisierung zu definieren, die eng mit der Lehre (den Hochschulen und Universitäten) verzahnt ist. Dies verlangt vor allem von den Beschäftigten der Sozialen Arbeit ein hohes Maß an politischer Verantwortung und politischem Handeln.
Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingen wird, ein entsprechendes politisches Bewusstsein und Handeln bei den Kolleginnen und Kollegen der Sozialen Arbeit zu schaffen. Im Ergebnis geht es darum, dass die Gesellschaft in ihrer Gänze die entsprechenden Möglichkeiten und Instrumentarien bereit stellt, damit der Einzelne in unserer Gesellschaft seine Aufgabe auch wahrnehmen kann.
Veröffentlicht:
Forum Sozial 2005 / Nummer 2 / Seite 17